Das Erfolgsrezept der tschechischen Volkswagen-Tochter Skoda ist einfach. Gefälliges Design, clevere Detaillösungen, vor allem aber solide VW-Qualität – nur deutlich günstiger als VW. Der letzte Punkt schien einen Aufbruch von Skoda ins Elektrozeitalter zu verhindern. Schließlich sind Elektroautos bislang das Gegenteil von günstig.
Nun aber präsentiert der Hersteller tatsächlich ein Elektroauto: Den Skoda Enyaq iV. Läuft alles nach Plan, soll der Wagen Anfang 2021 bei den Händlern stehen. Der Sinneswandel ist erzwungen: Wegen der strengen CO2-Vorgaben der EU-Kommission muss Skoda genauso auf Elektrifizierung setzen wie andere Hersteller.
Dabei haben die Tschechen einen großen Vorteil. Sie können sich bei der Technologie aus dem Regal der Wolfsburger Konzernmutter bedienen. Die hat mit Milliardenaufwand gerade eine hochmoderne Fahrzeug-Architektur für Elektroautos fertiggestellt, den modularen Elektrifizierungs-Baukasten, kurz MEB. Auf dieser Plattform soll innerhalb des Konzerns eine Großfamilie an Stromern entstehen, angefangen beim VW ID.3 über diverse SUVs und Crossover bis hin zum coolen ID. Buzz. Tochtermarken wie Seat, Audi und Skoda erstellen auf dieser Basis jeweils ihre eigenen Kreationen.
Das Auto ist geschickt platziert
Welches Werk Skoda aus dem Baukasten erschaffen hat, konnten wir bei einer Ausfahrt in einem Prototyp des Enyaq besichtigen. Mit einer Länge von 4,65 Metern – 40 Millimeter kürzer als ein Octavia Combi – positionieren die Tschechen ihren neuen Stromer in der unteren Mittelklasse. "Wir haben uns bewusst für diese Größe entschieden, weil sie die Nachfrage bei Familien sowie bei Firmen- und Flottenkunden am besten abdeckt", sagt Skoda-Entwicklungschef Christian Strube, der unsere Testfahrt auf dem Beifahrersitz begleitet.
Ein geschickter Schachzug: das Segment ist derzeit nicht besetzt. Jaguar I-Pace, Mercedes EQC und Audi e-tron haben zwar ein ähnliches Format, sind deutlich teurer. Modelle wie Hyundai Kona und Kia Niro fahren ein Segment tiefer. Einzig der chinesische Aiways U5 könnte ein klarer Konkurrent werden, aber ob er im Herbst wirklich nach Europa kommt, muss sich erst mal zeigen. Direkter Wettbewerb winkt also nur aus Wolfsburg. VW bringt etwa zeitgleich den ID.4.
Die MEB-Plattform ist so konzipiert, dass in der Basis stets ein Elektromotor im Heck sitzt und damit auch die Hinterachse antreibt. Skoda staffelt die Leistungen in drei Stufen: 109, 132 und 150 kW, nach alter Währung sind das 148, 180 und 204 PS. Wer Allradantrieb möchte, kann für die Vorderachse zusätzlich entweder einen 42- oder einen 75-kW-Motor wählen, sodass der Enyaq im Maximum über eine Leistung von 225 kW (306 PS) verfügt.
Leider kein One-Pedal-Driving
Fahren konnten wir die 150-kW-Variante. Schon diese Leistung reicht locker aus und macht den Enyaq zu einem gleichermaßen flinken wie geschmeidigen Gefährt. Der Grund liegt vor allem im Drehmomentverhalten. Elektromotoren liefern prinzipiell ihren Bestwert – hier sind es 350 Newtonmeter – bereits vom Stand weg und treten damit souveräner an als jeder vergleichbare Diesel oder Benziner.
Die Rekuperation ist zumindest beim Prototypen noch so schwach, dass man beim Verzögern das Bremspedal treten muss. Das sonst bei vielen Elektroautos übliche "One Pedal Driving" nur mit dem Gaspedal gibt es nicht. Die Abstimmung des Fahrwerks ist betont komfortabel und familienfreundlich. Zumindest auf der Landstraße und der Autobahn ginge das elektrische SUV deshalb auch als besonders leiser Kodiaq durch. Erst in der Stadt und beim Rangieren merkt man einen gravierenden Unterschied: Ohne Motor und Antriebswellen im Bug ist der Lenkwinkel viel größer, das Auto schrumpft beim Rangieren gefühlt auf das Format eines Kleinwagens.
Überhaupt wirkt das Auto überraschend konventionell – bis hin zur mächtigen Mittelkonsole, die bei einem Stromer eigentlich nicht mehr nötig ist. Während sich Skoda-Mann Strube ein bisschen ärgert, dass er vorn unter der Haube keinen zweiten Kofferraum wie bei Tesla & Co. unterbringen konnte, verteidigt er den Turm zwischen den Sitzen vehement: "Mir sind die induktive Ladeschale fürs Smartphone, die Becherhalter und immerhin 48 Liter Stauraum wichtiger als ein bisschen Freiheit für die Füße, die am Ende doch niemand nutzt", sagt er.
Platz da
Ohnehin ist das Platzangebot Skoda-typisch üppig. So wie man im Octavia besser sitzt als im eng verwandten Golf und im Superb besser als im Passat, ist auch der Enyaq deshalb vor allem für Hinterbänkler die bessere Wahl und bietet – auch dank des kompakten Antriebs - mehr Platz als manche Luxuslimousine. Der Kofferraum fasst zwischen 585 und 1.711 Liter. Da kann mancher Großkombi nicht mithalten.
Neuland betritt Skoda bei der Einrichtung. Die Designer setzten beim Enyaq auf Wohnzimmer-Atmosphäre, mit gemütlichen Stoffen aus Wolle. Aber auch rezyklierte Plastikflaschen oder ökogegerbtes Leder stehen als Material zur Wahl. Für Entspannung soll zudem ein großes Head-up-Display (Aufpreis) sorgen. Es spiegelt alle wichtigen Informationen in die Windschutzscheibe und verfügt zusätzlich über Augmented Reality. Abbiegepfeile können beispielsweise virtuell auf die Straße projiziert werden.
Der Antrieb stammt hingegen komplett von VW. Skoda bestückt den Enyaq mit den gleichen flachen, flüssigkeitsgekühlten Paketen an Pouchzellen und permanenterregten Synchronmotoren wie Volkswagen die ID-Modelle. Das Enyaq Basismodell mit dem 55kWh-Akku soll nach Messprotokollen 340 Kilometer weit fahren, das Top-Modell mit der 82 kWh-Batterie eine Reichweite von 500 Kilometern haben.
Der Preis ist heiß
Geladen wird als Standard on board mit 7 oder gegen Aufpreis mit 11 kW und an der Schnellladesäule sind bis zu 125 kW möglich. "Diese Option bieten wir als erster Hersteller auch als Update over the air an", schwärmt Strube. Wer bei der Bestellung nur 50 kW ordert, kann so nachträglich auf 125 kW erhöhen und die Ladezeit für den Hub von 10 auf 80 Prozent im besten Fall auf 40 Minuten verkürzen.
Bleibt also nur noch die Frage nach dem Preis: Der Enyaq soll bei rund 35.000 Euro starten und fährt damit auf dem Niveau so manch elektrischer Klein- und Kompaktwagen wie Honda e, Mini Cooper SE oder Nissan Leaf, bietet aber deutlich mehr als diese. Vor allem aber spielt er damit in einer Liga mit dem ID3, der aber deutlich kleiner ist. Der alte Skoda-Trick: Er scheint also auch bei Elektroautos zu funktionieren.
August 27, 2020 at 10:56AM
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Elekroauto Enyaq: Skoda legt den Schalter um - DER SPIEGEL
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